Ist es ein Vorteil oder ist es ein Nachteil? Ich wohne in einem Quartier mitten unter Chinesen, ich habe hier noch keinen einzigen westlichen Ausländer gesehen. Sicherlich wäre es einfacher, wenn ich in einem Expat-Quartier wohnen würde und mit anderen Expats in Kontakt kommen könnte. Sie könnten mir das Eingewöhnen erleichtern. Auf der anderen Seite erlebe ich hier das echte China, das Alltagsleben der Chinesen.

 

Für die Chinesen bin ich genauso fremd wie sie für mich. In Shanghai ist es sicher nichts Aussergewöhnliches, wenn man auf der Strasse eine Person aus dem Westen trifft. Hier in Wuxi ist das schon ganz anders, vor allem im Quartier, wo ich wohne. Gestern zum Beispiel, war ich im Supermarkt bei mir um die Ecke. Eine Frau kam mir mit ihrer Tochter entgegen. Ich fand das Mädchen süss und lächelte die Frau an (ja, ja, man ist in China: immer lächeln!). Die Frau stoppte und sagte zu ihrer Tochter auf Chinesisch (so viel habe ich verstanden!) „Sag hello“, worauf das Mädchen artig „hello“ sagte! Ich musste lachen und antwortete mit „ni hao“. Ich bin sicher, ich war die erste westliche Person, die das Mädchen in seinem Leben gesehen hat!

 

Kurze Zeit später war ich im Starbucks in Downtown Wuxi. Als ich meinen Café Latte bestellte – der hier übrigens gleich teuer ist wie in der Schweiz! – stand hinter mir ein Westler, er sprach mich sofort an: „Oh, another foreigner! Where are you from?“ Ich antwortete, dass ich aus der Schweiz komme. Er erzählte mir, dass er Kanadier sei und schon war er wieder weg. Schade, das wäre jetzt die Gelegenheit gewesen, mit einem anderen Expat in Kontakt zu kommen. Aber offenbar geht das hier einfach, kaum sieht man einen Westler, spricht man ihn an – es kommt ja nicht allzu oft vor…

 

Als ich heute das Quartier zu Fuss erkundete, kam ich mir vor wie im Zoo. Die Kinder starrten mich ohne Scham an, die Erwachsenen waren nicht weniger diskret. Ein alter Mann fuhr auf einem Roller an mir vorbei und blickte so lange zurück, bis er sich beinahe den Hals verrenkte – ich wartete nur darauf, dass er einen Unfall machte…  Aber trotz allem Anstarren sind die Chinesen Ausländern gegenüber sehr freundlich und aufgeschlossen. Sie versuchen zu helfen, sprechen wie selbstverständlich mit mir Chinesisch und ganz selten können sie spärlichen Brocken Englisch sprechen: Die Frau am Strassenrand, bei der ich die Bananen kaufte, konnte tatsächlich „ten“ (RMB) sagen oder der Tuk-Tuk-Fahrer konnte mir auch den Preis mit „six“ (RMB) nennen – von diesen Leuten hätte ich das am wenigsten erwartet.

 

… aber nach sechs Monaten werden sich meine Nachbarn sicherlich an meine lange Nase, meine grossen Füsse und an meine komischen Haaren (stellt euch vor, die wären noch blond!) gewöhnt haben… J

 

Alle Wuxi, oder was?!